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Der Fachkräftemangel

Wo ist der eigentlich, der Fachkräftemangel? Guckt man in die Jobbörsen rein, findet man jede Menge Zeitarbeitsfritzen mit schlecht bezahlten Rumreisejobs ohne langfristige Perspektive. Oder man findet so viele Spezialwünsche auf einem Haufen, dass die Stelle locker für drei Spezialisten langt. (Ach ja, da ist er ja, der Fachkräftemangel!).

Mich hat man vor über einem Jahrzehnt blind aus der Datenbank der Agentur für Arbeit gefischt, um eine halbjährige Fortbildung zur Softwareentwicklerin zu machen. Blöd nur, dass ich damals von Computern keine Ahnung hatte. Ich hätte sie nicht einmal einschalten können. Ich kam ob meiner Begeisterung, endlich wieder durchstarten zu können, einen Platz in der Veranstaltung. Die anderen waren weniger begeistert. Die konnten nämlich mit dem Computer umgehen. Die kannten Windows, das Office-Paket und hatten auch schon mal ein VisualStudio von innen gesehen. Mit Unix hatten sie auch keine Probleme und wußten auch, was ein C-Compiler ist. Ich fand das alles ziemlich spannend.

Beim Dreisatzrechnen haben wir alle nur müde gelächelt und beim Prozentrechnen abgeschaltet. Naturwissenschaftler und Ingenieure haben mit sowas einfach keine Probleme. Die angereisten BWLer im feinen Zwirn hätten sich diesen Teil des Kurses sparen können.

Heute sehen diese Kurse noch viel dürftiger aus und werden Leuten auf's Auge gedrückt, die die Inhalte ohnehin schon beherrschen. Hier gewinnt nur einer: Das durchführende Schulungsunternehmen, dass horrende Summen kassiert für Banalitäten. Hauptsache, das Klientel ist pünktlich da und hält der anregungsarmen Umgebung stand.

Wozu muss ein erfahrener VBA-Enwickler einen Grundkurs in Word machen? Der Mann braucht einen Job. Blöderweise hat er mal was ganz anderes gelernt, sich Access-Programmierung selbst beigebracht und für seine Firma spezifische Programme entwickelt, um die Dokumentation der Qualitätssicherung sicher zu stellen. Jobangebote hat er bisher keine bekommen, sich selbst jedoch einige Firmen ausgeguckt. Die meisten geruhen nicht einmal zu antworten oder abzusagen.

Ein anderer Bekannter hat vor Jahrzehnten einen Handwerksberuf gelernt und einen Gesellenbrief in der Tasche. Inzwischen hat er sich aber längst Webdesign beigebracht und alles, was dazu gehört, doch die Arbeitsagentur ignoriert das völlig. Jetzt soll er erst mal als »Praktikant« in einem Baumarkt drei Monate umsonst arbeiten. Sorry, aber was soll ein Webdesigner Schräubchen zählen oder Farbeimer umwuchten? Ach nein, Schräubchen zählen geht ja nicht. Das macht eine Fremdfirma, was zur Folge hat, dass schlecht gelaunte Leute für Nachschub sorgen und die Mitarbeiter im Hause nicht wissen, wann ein Produkt wieder verfügbar ist. Rechtzeitig nachordern geht auch nicht. Fazit 1: Wenn der Baumarkt Hilfskräfte braucht, dann soll sie halt befristet einstellen.Fazit 2: Steuerberater hätte man werden sollen. Die Nachfrage an Steuertricks (Ein Stichwort: Werkverträge und Subunternehmer) ist mit Sicherheit noch nicht befriedigt (Ah, da ist er ja, der Fachkräftemangel!).

Aus eigener Erfahrung weiß ich: Ja, da herrscht inzwischen Fachkräftemangel. Das liegt daran, dass sie halt nur mickrige Stundenlöhne zahlen, bei denen ein echter Handwerker nur den Kopf schüttelt. Ich als Kundin könnte Gift und Galle speien - ich bräuchte nämlich hin und wieder einen gestandenen Handwerker, der mir mehr als eine Anfängerübung im Holzzuschnitt hinbringt. (Ah, da ist er ja, der Fachkräftemangel!).

Eine andere wiederum hatte einen super lückenlosen Lebenslauf, einen Lehrberuf erfolgreich absolviert, Zusatzausbildungen, Ausbildungseignerprüfung, Berufserfahrung und wurde von so gut wie allen Arbeitgebern ignoriert. Ist eine sich bewerbende Fachkraft nicht einmal eine (kurze) Antwort wert? Lag's am Alter? Am Geschlecht? An den Gehaltsvorstellungen kann es nicht gelegen haben - die wurden ja noch gar nicht verhandelt.

Den Fachkräftemangel konnte ich auch an anderer Stelle beobachten - am Stammtisch. Unterhielten sich ein paar und kamen auf Software Sowieso zu sprechen. Der eine erzählte, dass er damit früher gearbeitet hätte und plauderte über ein paar Tricks. Der andere: Sie suchten ja so dringend Entwickler für genau dieses Produkt, ob er nicht bei ihnen anfangen wolle, während ein anderer in der Runde ziemlich deutlich machte, dass er gerne bei dem Unternehmen arbeiten würde. Der hätte sich aber erst in das Produkt und die zugrundeliegende Programmiersprache einarbeiten müssen. Er wurde nicht gefragt, ob er dort anfangen wollte.

Dazu muss man wissen: Sowieso ist OpenSource, gut dokumentiert, jeder der, will, kann es installieren und sich damit beschäftigen; bei den ClosedSource-Geschichten geht das aus Kostengründen in der Regel nicht.

Für mich zeigt das deutlich: Den Fachkräftemangel mag es geben, doch in dem Moment, wo es um die Ausbildung einer Fachkraft geht, ist es für alle Unternehmen selbstverständlich, dass sie mit der Ausbildung nichts zu tun haben (wollen). Ausbildung ist Sache anderer.

Auch mir war nach meiner Fortbildung klar, dass mein schönes Abschlusszeugnis nichts wert ist. Ich hatte einen Haufen IT-Begriffe gelernt, konnte einen Computer einschalten, fand Windows eher suspekt und die Entwicklungssoftware, die darauf lief, war unerschwinglich. Ich löste das Problem mit Linux. Da war alles dabei, man konnte es zerlegen, inspizieren, gucken, wie es funktioniert und ich bin bis heute zufrieden. Damals optimistisch versuchte ich die ein oder andere Firma zu überzeugen, mich einzustellen und mir die Gelegenheit zu geben, meine Ausbildung zu komplettieren. Unnötig zu sagen: Da wollte keine ran. Sie wollten fertige Leute. Schade, da waren echt spannende Sachen dabei, die ich gerne gemacht und gelernt hätte.

Vom Arbeitsamt kamen nur Stellenvorschläge, die so offensichtlich für eine VHS-Ausbildung nicht in Frage kamen, dass ich nur den Kopf schütteln, aber mich bewerben musste. Diesen Unsinn macht das Arbeitsamt heute auch noch. (Ah, da haben wir ihn wieder, den Fachkräftemangel!).

Mein persönliches Fazit ist: Ja, den Fachkräftemangel gibt es. Den gibt es nur aus einem Grund: Jeder der Beteiligten denkt, dass Fachkräfte auf den Bäumen wachsen und man sie für wenig Geld beim Discounter am Tagesende billig abgreifen kann. Darüber hinaus ist mein Eindruck entgegen anders lautender Einlassungen der Eindruck, dass man nur junge Leute haben will, bevorzugt männlichen Geschlechts.

 


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